Mit Vielfalt gegen Schädlinge und Hitze im Weinberg
Tier- und Pflanzenarten verschwinden heute 100- bis 1000-mal schneller als in den vergangenen hundert Jahren – und das damit verbundene Risiko ist hoch: Ganze Ökosysteme sind gefährdet. Das sieht man zum
Beispiel beim Obstanbau in Neuseeland oder China, wo die Bäume aufgrund des Bienensterbens nicht mehr natürlich befruchtet werden. Die Veränderungen bedrohen auch uns, die Menschen; sie sind ein Risiko für unsere Existenz. Schon deshalb müssen wir die Biodiversität aktiv fördern. Wie dies umgesetzt werden kann, zeigt ein Projekt im Weinbaugebiet Aesch/Klus in Baselland. Durch Nistplätze, Agroforst und die Verbindung von Lebensräumen wird der Rebberg resistenter gegen die Folgen des Klimawandels gemacht.
Strukturen für Wildtiere
«Wir setzen uns seit Langem für eine naturnahe Produktion in unseren Rebbergen ein», erzählt Dieter von Blarer vom Weingut Tschäpperli. «Mehr als die Hälfte der Fläche bewirtschaften wir bereits biologisch.» Von Blarer ist Präsident der Weinbaugenossenschaft Aesch. Ihre sechzehn Betriebe produzieren im Klustal auf 22 Hektaren Wein.
Zu ihrem hundertjährigen Bestehen initiierte die Genossenschaft ein grosses Biodiversitätsprojekt – gemeinsam mit den Gemeinden Aesch und Pfeffingen, mehreren Stiftungen und der Organisation BirdLife Schweiz. Es ist auf vier Jahre angelegt.
Lukas Merkelbach ist Biologe und Projektleiter bei der MerNatur Naturschutzbiologie GmbH mit Sitz in Therwil. Das mittelständische Unternehmen führt und koordiniert das Biodiversitätsprojekt. Merkelbach erläutert: «Wir schaffen im Rebberg Restflächen und Strukturen für Wildtiere, fördern Wildblumen zwischen den Rebstöcken, indem wir schonend mähen und weniger Dünger einsetzen. Zudem lockern wir die Böden, um die typische, einjährige Rebbergflora zu fördern.»
Ein Schmetterling als Maskottchen
Gleichzeitig baut man in der Nähe der Reben neue Trockensteinmauern und legt Asthaufen an. Auch dies fördert die Artenvielfalt, denn die Mauern und Asthaufen sind wichtige Nistplätze, zum Beispiel für Schlingnattern oder Wiesel, die Wühlmäuse jagen, welche die Rebstöcke schädigen.
Mit dem Projekt fördern die Beteiligten auch die Verbindung zwischen dem Rebberg und dem umliegenden Wald. Zusammen mit dem Förster öffnen sie die Waldränder und gestalten sie naturnaher, erzählt Merkelbach.
«Das ist für viele Insekten und Kleinlebewesen sehr wichtig.» Zum Beispiel für Schmetterlinge: Die Rostbinde, ein schöner, rostbrauner Schmetterling sei seither wieder viel öfter anzutreffen. Der Schmetterling dient als Maskottchen für das Projekt.
Ahorn und wilder Apfel bringen Schatten
Auf einer begrenzten Fläche experimentieren sie im Projekt aktuell auch mit einem sogenannten Agroforst. Dafür wurden Bäume, darunter Zitterpapeln, Wildapfel, Ahorn, Steinweichsel und die Elsbeeren, direkt in den Rebberg gepflanzt. «Reben mögen Halbschatten», erklärt Lukas Merkelbach.
«Mit zunehmender Trockenheit und Hitze infolge des Klimawandels wird die Beschattung immer wichtiger.»
Schon heute haben Winzerinnen und Winzer das Problem, dass die Trauben durch zu viel Sonne «überschiessen». Der Öchslegrad ist zu hoch, sprich: der Zuckergehalt in den Trauben. Die Schattenspender Ahorn, Wilder Apfel, Zitterpappel und Steinweichsel sollen helfen, dieses Problem zu lösen. Bäume im Rebberg bringen weiteren Nutzen: Ihre feinen Wurzeln gehen mit Pilzen Symbiosen ein («Mykorrhiza»). Darüber versorgen die Bäume die Rebstöcke zusätzlich mit Wasser und stärken deren Gesundheit.
Neuntöter, Zaunammer, Wendehals
Eine besonders positive Wirkung des Projekts ist die neue Vielfalt an Vögeln, erzählt Merkelbach. «Seltene Arten wie der Neuntöter, der Wendehals, das Schwarzkehlchen und die Zaunammer sehen wir heute wieder deutlich öfter im Rebberg als früher.»
Solche Vögel und wiederentdeckte Insekten sind nicht nur schön anzuschauen, sondern sie unterstützen auch die Winzerinnen und Winzer im Alltag. «Mit der Kirschessigfliege, dem Japankäfer und invasiven Pflanzen nehmen die Herausforderungen im Weinbau stetig zu», sagt Dieter von Blarer. «Ich hoffe, dass wir mit dem Biodiversitätsprojekt Nützlinge fördern, die uns mittel- und längerfristig helfen, mit neuen Schädlingen besser klarzukommen.»