Die Firma Zug Estates entwickelt, vermarktet und bewirtschaftet Liegenschaften. Der Geschäftszweck dieser an der Börse notierten Aktiengesellschaft wirkt also recht normal. Doch immer wieder sorgt Zug Estates für Schlagzeilen und Wow-Effekte, zum Beispiel mit Neubauten. «Leuchtturmprojekte» sind dabei, Vor-haben mit Strahlkraft. In den letzten Jahren entstanden die grösste Holzbausiedlung der Zentralschweiz, das erste, später das höchste Holzhochhaus der Schweiz und ein Gartenhochhaus.
Zum Portfolio von Zug Estates gehören unter anderem die Einkaufs-Allee Metalli sowie das Suurstoffi-Areal in Risch-Rotkreuz. Gesamtfläche: 164 000 Quadrat-meter. Marktwert: 1,7 Mrd. Franken. Es gibt Flächen für Wohnen, Büros und Verkauf sowie für Freizeit, Bildung, Gesundheit und Kultur. Es gibt Co-Working-Plätze und viel Platz für Studierende der Hochschule Luzern.
Seit 2010 hat Zug Estates die Emissionen an Treibhaus-gasen nach eigenen Angaben um knapp 95 Prozent gesenkt. Ab 2023 will das Unternehmen sein Portfolio nahezu CO₂-frei betreiben. Dies ist vor allem deshalb möglich, weil es Energie über den Zugersee bezieht.
Unsere Pensionskasse hält Anteile an Zug Estates. Beim Arbeitgeberanlass am 1. September 2022 führte Fabrizio Di Bauda im Namen der blpk ein Gespräch mit Patrik Stillhart, dem CEO von Zug Estates. «Wir gestalten und bewirtschaften Lebensräume, in denen wir uns bewegen», sagte er. Die Verantwortung dabei sei gross; Stichworte: Energieverbrauch und Emissionen durch Heizung und Kühlung. CEO Stillhart gibt Auskunft: Warum setzt gerade eine Immobilien-AG so deutlich auf Nachhaltigkeit? Wo stösst sie an Grenzen? Und wie grün wird die ganze Branche wohl in naher Zukunft?
Herr Stillhart, Zug Estates und Sie selbst legen auffällig viel Wert auf Klimaschutz und auf das Wohl der kommenden Generationen. Wie wichtig ist Nachhaltigkeit für die Immobilienbranche? Sind Sie ein Exot? Oder ist das, was Sie tun, fast schon Standard?
Die Branche hat besondere Verantwortung im Bereich der Nachhaltigkeit. Denn durch die Erstellung und den Betrieb von Liegenschaften ist sie für einen erheblichen Teil der Emissionen an Treibhausgasen verantwortlich. Das Thema ist daher auch bei Immobilieninvestoren in den Fokus gerückt. Viele haben mittlerweile einen Absenkpfad für ihren CO₂-Ausstoss definiert.
In einer Hinsicht ist Zug Estates aber tatsächlich ein Exot: Wir haben unsere Nachhaltigkeitsstrategie bereits vor über zehn Jahren festgelegt – zu einer Zeit, als das Thema noch nicht die Aufmerksamkeit hatte. Wir hatten also einen Vorsprung. Deshalb sind wir mit unserem CO₂-Absenkpfad von allen Immobiliengesellschaften am weitesten.
Eine Frage stellt sich in der Branche immer wieder: «Reissen wir ab und bauen neu, oder erhalten wir die Substanz, um sie zu renovieren?» Was ist aus Ihrer Sicht nachhaltiger?
Mit dieser Frage setzten wir uns zum Beispiel bei der Entwicklung des Lebensraums Metalli im Zentrum von Zug intensiv auseinander. Wir entschieden uns für ein Projekt, bei dem wir möglichst viel Substanz erhalten, also bestehende Ressourcen nutzen können.
Doch natürlich wird auch weiterhin viel gebaut. Die Nachfrage nach neuen Wohnungen ist vorhanden. Entsprechend werden andere Fragen wichtig: Wie baue ich? Mit welchen Materialien? Bei solchen Überlegungen steht die Branche erst ganz am Anfang. Für nachhaltiges Bauen braucht es eine ganz neue Art des Anreizes. Ein Bauingenieur hat bisher zum Beispiel keinen Anreiz, ein Tragwerk so zu optimieren, dass die Betonmenge möglichst klein bleibt.
Aus der Elektronikbranche wissen wir: Jedes Gerät hat ein Energielabel, etwa ein Kühlschrank. A, B, C, je grüner, desto besser. Labels gibt es auch in der Immobilienwirtschaft – Minergie, Minergie-P, SNBS, Eco-Bau, GEAK ... Ist es sinnvoll für mehr Nachhaltigkeit, wenn Immobilien solche Zertifikate bekommen?
Grundsätzlich stehe ich diesen Labels und Zertifizierungen positiv gegenüber. Sie erhöhen den Druck: Die Branche muss sich mit dem Thema Nachhaltigkeit auseinandersetzen. Nicht alle Unternehmen haben aus Überzeugung so ehrgeizige Ziele wie Zug Estates.
Labels und Gebäudezertifizierungen helfen den Investoren. Sie können damit die Nachhaltigkeit von Portfolios besser einschätzen. Auch bei der Vermarktung von Büro- und Gewerbeflächen werden diese immer wichtiger. Denn grössere Mieter müssen Rechenschaft ablegen über die Nachhaltigkeit ihrer Büro- und Gewerberäume.
Wer sich im Detail mit Labels und Zertifikaten auseinandersetzt, stellt jedoch fest: Das Spektrum ist sehr breit. Das macht die Auswahl und den Vergleich schwierig.
Was meinen Sie: Wie sehen in zehn, fünf-zehn Jahren die Standards für Nachhaltigkeit im Immobiliensektor aus? Haben wir dann Normen, von denen man heute vielleicht noch gar nichts ahnt?
Für den Betrieb von Gebäuden gibt es schon heute viele Standards. Das Problem ist: Wie werden sie um- gesetzt? In nächster Zeit werden viele weitere Energieverbünde entstehen, denn nicht jeder Hauseigentümer kann ein eigenes CO₂-freies Energiesystem aufbauen. Um solche Systeme zu bilden, sind Gemein-den, Städte und Kantone mit ihren Energieversorgern jetzt aktiv gefordert.
In Zukunft – davon gehe ich aus – werden neue Normen und Standards auch in Bezug auf die Art des Bauens eingeführt. Vermutlich wird man im Baugesuch den ökologischen Fussabdruck eines Gebäudes detailliert beschreiben müssen. Das heisst dann zum Beispiel: Man muss vielleicht die graue Energie der verbauten Materialien ausweisen – also jene Energie, die für Herstellung, Transport, Lagerung usw. verbraucht wird.