Es hat einen Platz weit oben in der Rangliste der umweltfreundlichsten Erfindungen – das Laufrad. Anfang des 19. Jahrhunderts wurde es aus der Not heraus geboren. Nach Napoleons Kriegen waren die Getreidepreise gestiegen; 1815 explodierte dann der indonesische Vulkan Tam- bora, was zu mehreren «Jahren ohne Sommer» und Ernteausfällen führte. So gab es nicht mehr genug Futter für die Pferde. Der deutsche Adelige und Forstbeamte Karl Drais hatte eine geniale Idee: Er spannte zwei Räder hintereinander statt nebeneinander auf einen Holzrahmen – das Laufrad war geboren. Auf der Jungfernfahrt ab Mannheim am 12. Juni 1817 legte Drais mit seinem Urfahrrad eine Strecke von drei-zehn Kilometern zurück, in knapp einer Stunde. Damit war er deutlich schneller als jede Kutsche.
Gleichgewicht auf zwei Rädern
Das Gefährt hatte noch keine Pedale, Tüftler Drais musste zum Vorwärts kommen die Füsse vom Boden abstossen. Und dennoch: Gemäss dem Technikhistoriker Hans-Erhard Lessing gilt Drais’ Erfindung
als «Urknall» mechanisierter Fort-bewegung. Das neue Zweirad habe die Menschen «in einen neuen Erfahrungsraum versetzt»: weil sie das Gleichgewicht auf zwei hinter-einander angeordneten Rädern ständig ausbalancieren mussten, schreibt Lessing im Buch «2 Räder – 200 Jahre» zur Geschichte des Fahrrads.
Bis zur Entwicklung des modernen Rads brauchte es noch vieles, zum Beispiel Tretkurbeln. Die wurden zunächst direkt am Vorderrad befestigt. Eine Zeit lang baute man dann Hochräder – sturzgefährlich! Rollenketten aus beweglichen Hülsen (erfunden vom Aarauer Hans Renold) und luftgefüllte Gummireifen brachten das Fahrrad gegen Ende des 19. Jahrhunderts schliesslich nahe an seine jetzige Form. Durch die industrielle Massenproduktion wurde es auch für breitere Schichten erschwinglich.
Bis heute ist das Rad das umwelt-freundlichste Fortbewegungsmittel. Steffi Ober, beim deutschen Bund für Naturschutz (Nabu) zuständig für Forschungspolitik und Ökonomie, nennt es auf Anfrage schlicht «genial». Sie streicht heraus, dass es sehr platzsparend und im Ver-gleich zum Auto kaum auf versiegelte Böden angewiesen ist.
Sonne zum Nulltarif
Noch eine herausragende Erfindung: die Solartechnik, Hoffnungsträger in der Energiewende. In den 1950er-Jahren wuchs die Erkenntnis, dass viele Energieträger begrenzt sind, etwa Erdöl und Erdgas. Dies beflügelte die Forschung. Die erste Siliziumsolarzelle erreichte damals einen Wirkungsgrad von immerhin sechs Prozent. Dann aber kam die Schwemme an billigem Öl; sie sorgte für die Motorisierung der Massen und erdölbefeuerte Zentralheizungen.
Solarenergie ist umweltfreundlich und im Gegensatz zu Erdöl und Erd- gas unerschöpflich. Die Kraft der Sonne wurde schon seit Menschen- gedenken genutzt, zum Beispiel, indem man Fenster nach der Mittagssonne ausrichtete.
Mit Klimakrise und drohender Energieknappheit wächst nun eine Gewissheit: erneuerbare Energien müssen unverzichtbarer Bestandteil der künftigen Energieversorgung sein. Seit einigen Jahren erlebt die Solartechnik deshalb einen Boom. Heutige Solarmodule erreichen Wirkungsgrade von über 20 Prozent. Das bedeutet: Rund ein Fünftel der eingesetzten Energie ist nutzbar. Das mutet gering an, doch dafür scheint die Sonne zum Nulltarif.
Bereits ein bis zwei Jahre nach seiner Installation hat ein Solarpanel laut «National Geographic» so viel Energie produziert, wie es zur Produktion eines Panels braucht. Die Lebensdauer liegt aber bei rund dreissig Jahren. Gemäss WWF wird schon seit 2007 weltweit mehr elektrische Leistung aus Solarzellen gewonnen als aus Kernkraftwerken. Und das Potenzial ist gigantisch.
Vakuum in der Doppelwand
Eine weitere nachhaltige Erfindung: die Thermosflasche. Sie hat eine doppelte Wand, drinnen herrscht Vakuum. Deshalb leitet die Flasche kaum Wärme. Entwickelt wurde das Gefäss im 19. Jahrhundert zum Aufbewahren von flüssigem Stickstoff. Erst später verwendete man es zum Warmhalten von Getränken. Dieselbe Technologie wird übrigens auch für Warmwasserspeicher genutzt. Heutige Thermosflaschen bestehen meist aus Edelstahl und sind darum unzerbrechlich.
Welche Innovationen benötigen wir in Zukunft? «Es braucht zum Bei- spiel Solarzellen, die auch bei wenig Licht funktionieren», meint Steffi Ober vom deutschen Nabu. Oder gute Wiederverwertungssysteme für Kunststoffe. Das Problem herkömmlicher Innovationen liege oft darin, dass sie stark auf die Möglichkeiten der Technik setzen, aber zu wenig auf Verhaltensänderungen. Die Autoindustrie zum Beispiel wolle nicht die Art unserer Mobilität ändern, sie ändere bloss die Art des Antriebs; der erfolgt neu elektrisch.
Fahrrad, Solartechnik, Wärmespeicherung – in den Augen von Innovationsforscherin Ober sind das drei bahnbrechende Erfindungen. Weil sie uns den Weg weisen zu einem nachhaltigeren Lebensstil – und eine Änderung des Lebensstils ist laut Ober zentral.