Ja, wir leben in einer globalisierten Welt. Westliche Unternehmen produzieren vermehrt im Ausland. Sie importieren Rohstoffe vom anderen Ende der Welt und verfrachten Fertigprodukte zurück über den gesamten Globus. Die Weltwirtschaft soll aber nachhaltiger und sozialer werden. Welchen Beitrag kann eine Vorsorge-einrichtung wie die blpk dazu leisten?
Seit 2019 sind wir Mitglied im Schweizer Verein für verantwortungsbewusste Kapitalanlagen (SVVK-ASIR). Unsere Partner sind elf weitere institutionelle Investoren, darunter einige der grössten Vorsorgeeinrichtungen der Schweiz. Wir machen uns stark für nachhaltige Investitionen. Das geschieht zum Beispiel über das sogenannte Engagement: Als Investoren suchen wir aktiv und gemeinsam den Dialog mit Unternehmen. Unser Ziel: Wir wollen sie zu einem deutlich nachhaltigeren Handeln bewegen.
Wie viel Einfluss hat ein Verein wie der SVVK-ASIR? Und wie kann man sich die Zusammenarbeit der Partner vorstellen? Das möchten wir von Tamara Hardegger wissen. Sie ist die Geschäftsführerin.
Frau Hardegger, wenn Sie den Verein SVVK-ASIR mit einer Figur aus einem Film oder einer Persönlichkeit aus Politik und Gesellschaft vergleichen müssten, welche wäre es?
Tamara Hardegger: Vielleicht am ehesten unser Bundesrat. Wir sind ein Kollektiv. Der Vorsitz wechselt zwischen gleichberechtigten Mitgliedern. Die sind nicht immer einer Meinung, aber am Ende geht’s allen um dieselbe, wichtige Sache. Ich bin in dem Gremium so etwas wie die Bundeskanzlerin.
«Machen wir die Welt besser? Das wissen wir nicht. Aber hoffentlich können wir zu einem Sinneswandel beitragen. »
Engagement – was bedeutet der Begriff für den Verein? Und wie funktioniert es?
Engagement steht kurz für das englische «Investor Engagement». Gemeint ist ein konstruktiver, aber fordern- der Dialog zwischen dem Aktionär eines Unternehmens, also dem Besitzer, und der Leitung des Unternehmens. Der Aktionär sucht den Dialog. Darin geht es zum Beispiel um die Umwelt oder um soziale Themen. Das Engagement beginnt normalerweise mit einem Schreiben. Es weist auf ein Problem hin und lädt zu diesem Dialog ein. Wichtig für den Erfolg ist: Wir müssen auch die Perspektive des Unternehmens verstehen. Und wir brauchen realistische Ziele.
Macht Ihr Verein das Leben in der Welt besser?
Anders gefragt: Was würde fehlen, wenn es den SVVK-ASIR nicht gäbe? Machen wir die Welt besser? Das wissen wir nicht. Aber hoffentlich können wir zu einem Sinneswandel bei- tragen – bei jenen Unternehmen, die sich um die negativen Folgen ihrer Geschäfte bisher keine Gedanken machten. Wenn es den Verein nicht gäbe ... Für unsere Mitglieder würde ein wichtiger Pfeiler in ihrer Nachhaltigkeitsstrategie fehlen.
«Wie misst man die Klimaverträglichkeit eines Portfolios?»
Wie sieht Ihr Arbeitsalltag aus? Nehmen Sie uns mit, beschreiben Sie uns einen Tag.
Ich fahre morgens mit dem Velo bergauf zu den Büros der BVK in Zürich. Dort liegt mein Arbeitsplatz. Etwas ausser Atem steige ich von den Pedalen und begrüsse die Kol- legen. Ja, es ist schön, wieder im Büro zu sein! Nun lasse ich mir einen Kaffee raus und gehe in Gedanken den Tag durch.
Als Erstes telefoniere ich mit einem unserer Mitglieder, einer grösseren Pensionskasse. Thema: Wie misst man die Klimaverträglichkeit eines Portfolios? Und welche Tücken sind damit verbunden? Nach ein paar E-Mails widme ich mich einem grösseren IT-Projekt, unserer neuen Website. Hier ist ein Technologie-entscheid fällig.
Später kümmere ich mich um ein Engagement: Eine Bank zeigt systematische Versäumnisse im Risikomanagement. Es gibt eine lange Liste mit Vorwürfen. Die Versäumnisse haben Folgen für die Aktionäre, darunter auch für eine Pensionskasse und ihre Versicherten. Unsere Mitglieder möchten nun den Druck im laufenden Dialog erhöhen. Dieser Fall beschäftigt mich schon eine Weile.
Gegen Ende des Tages erreicht mich eine Bitte der blpk. Ich soll von meiner Tätigkeit berichten. Ok, das mache ich noch vor dem Wochenende. Das Schöne an meiner Arbeit ist: Selten gleicht ein Tag dem anderen. Ich habe mit vielen wirklich spannenden Menschen und Themen zu tun.
«Wir setzen uns bei den Herstellern und Händlern von Schokolade dafür ein, dass sie das Problem an der Wurzel packen. »
Was tut der Verein gegen Kinderarbeit und für faire Arbeitsbedingungen?
Kinderarbeit ist das Resultat tiefer Armut. Von der Tafel Schoggi, die wir für zwei Franken kaufen, landen etwa 14 Rappen bei den Bauern in der Dritten Welt. Viele Bauernfamilien dort kommen also kaum über die Runden. Deshalb schicken sie auch ihre Kinder aufs Feld, und das schadet ihnen.
Wir setzen uns bei den Herstellern und Händlern von Schokolade dafür ein, dass sie das Problem an der Wurzel packen. Sie sollen die Bauern unterstützen, damit sie zum Beispiel ertragreicher wirtschaften oder einen Kredit für besseres Saatgut erhalten, und ihre Kinder in die Schule schicken. Langfristig kommt das auch den Unternehmen zugute. Als langfristige Investoren versuchen wir diese Überzeugung zu fördern.
Was wollen Sie in Bezug auf soziale Gerechtigkeit erreichen? Und was tun Sie dafür?
Soziale Gerechtigkeit hat mehrere Spannungspole, und die Pensionskassen stehen genau dazwischen. Zum Beispiel zwischen der Sorge um die ältere Generation und der Generationengerechtigkeit gegenüber den Jungen. Die Arbeit von uns Investoren bringt auch die globale Dimension in dieses Spannungsfeld hinein. Unsere Kapitalanlagen sind nicht neutral. Wir investieren auf dem Weltmarkt, und dies auch in Unternehmen, deren Gebaren wir in der Schweiz nicht tolerieren würden. Und was tun wir nun? Wir machen uns dafür stark, dass Unternehmen gerechter wirtschaften. Sprich: dass sie ihre Geschäftspartner fair behandeln – ihre Angestellten, die Zulieferer und die Kunden.
Wenn Sie an den Verein denken – was macht Sie als Geschäftsführerin froh?
Der SVVK-ASIR arbeitet auf hohem Niveau, dadurch ist er besonders glaubwürdig. Und die Mitglieder gehen sehr vertrauensvoll miteinander um. Über diese Dinge freue ich mich.
Frau Hardegger, vielen Dank für das Interview und die spannenden Einblicke in Ihre Arbeit.